
Negativpreise: Vollbremsung für Photovoltaik oder gelungene Kehrtwende?
Noch nie zuvor waren unsere Dächer so häufig mit Photovoltaik bestückt. Grüne Investition und Zuspruch für mehr Bürger:innen-Energie! So erfreulich das auch ist: Die Euphorie der letzten drei Jahre hat ihre Spuren hinterlassen, und zwar auf den heutigen Stromrechnungen.
Wieso Du im Handel immer weniger Geld für Sonnenstrom erhältst, erfährst Du in diesem Beitrag.
01.08.2025, Christoph Weiß
Wenn Du Dir den Wunsch einer eigenen Photovoltaikanlage erfüllt hast, ist es Dir nicht entgangen: Für Deinen Sonnenstrom, erhältst Du immer weniger aus dem Handel zurück. Die diesjährigen Stromrechnungen waren besonders enttäuschend. So, dass wir uns die Frage stellen: Ist mein Sonnenstrom nichts mehr wert?
Das ist zwar nur die halbe Wahrheit und trotzdem liegst Du mit dieser Beobachtung richtig. Die Einspeisevergütungen für Sonnenstrom sinken, nicht nur im Frühjahr und Sommer, sondern auch über die vergangenen drei Jahre.
In diesem Beitrag wollen wir verstehen, wieso das so ist. Dafür nehmen wir ein Marktereignis unter die Lupe, das Dir unbemerkt ein Minus vor die Rechnung kritzelt: Die Rede ist von „Negativpreisen“.
Energiebörsenpreis, Merit-Order und vieles mehr. Solche Stichworte fielen oft genug in den Nachrichten. Was Du wissen solltest: Es gibt einen eigenen Handel für Strom, sowohl mit Blick in die Glaskugel (zukünftiger Wert) als auch auf die Atomuhr (momentaner Wert). In diesem Beitrag interessieren uns die momentanen Börsenpreise, von Fachleuten liebevoll EPEX Spotpreise genannt.
Diese Börsenpreise geben uns für jede Stunde (bzw. Viertelstunde) den Wert von Strom vor. Dieser Stromwert ergibt sich aus Angebot und Nachfrage. Sobald morgens die ersten Kaffeemaschinen angeworfen werden oder uns abends die Fernsehkasperl belustigen, steigt meist die Nachfrage und somit der Stromwert. Auch mittags ist Nachfrage vorhanden – immerhin benötigen auch Unternehmen Strom – aber gleichzeitig steigt das Angebot.
Warum steigt das Angebot? Kurz und knapp: Sonnenstrom! Und hier kann zu viel Sonnenstrom dazu führen, dass das Angebot die Nachfrage sogar übersteigt. Schon werden wir zur Kassa gebeten, denn niemand bezahlt für ein Gut, von dem zu viel vorhanden ist. In solchen Stunden sprechen wir von Negativpreisen und die sehen wir uns im Detail an:
Ein Jahresvergleich (2025 und 2024)
Im laufenden Jahr 2025 hatten wir bis Ende Juni bereits 60 Tage, an denen um die Mittagszeit Negativpreise aufgetreten sind. Insgesamt 290 Stunden lang! Als Vergleich dazu: Im Jahr 2024 waren es im selben Zeitraum nur 38 Tage mit 206 Stunden. Die Stundenanzahl hat sich also um 40% erhöht.
Besonders der Juni hatte es dieses Jahr in sich: Von 30 Tagen waren ganze 23 mit Negativpreisen besetzt! Vor einem Jahr waren es „bloß“ zwölf. Über vier Stunden lang herrschten an einem typischen Junitag Negativpreise. Beispielsweise der 24.06.2025 (s. Diagramm).

An diesem typischen Junitag wurde von 11:00 bis 15:00 Uhr mehr Strom im Handel angeboten als nachgefragt. In diesem Zeitraum mussten wir also für die Einspeisung von Sonnenstrom – oder jeder anderen Erzeugungsart – Geld bezahlen: ein Negativpreis für fast die Hälfte der Tageserzeugung! An Sonn- und Feiertagen treten sogar über einen Zeitraum von neun Stunden Negativpreise auf. Und da stellt man schon gerne sein Weltbild in Frage.
Um also auf die Eingangsfrage zurückzukommen: Ist mein Sonnenstrom also nichts mehr wert? Doch, aber zu den Zeitpunkten, zu denen Sonnenstrom am häufigsten erzeugt wird, hat Strom im Handel wenig bis keinen Wert. Diese Marktlage hat sich in den vergangenen drei Jahren stetig verschärft, es kommt immer häufiger zu Negativpreisen und der Auslöser dafür ist die Photovoltaik selbst: Mit dem Halbjahr 2025 sind in Österreich 8.300 MW Photovoltaik installiert, 2022 waren es 3.600 MW. In zweieinhalb Jahren von 3.600 MW auf 8.300 MW: Wir haben eine Verzweieinhalbfachung! Und das bemerken wir auf den heutigen Stromrechnungen.
Vielen ist nicht bewusst: Die Preise für Sonnenstrom, die wir während oder kurz nach der Energiekrise 2022 hatten, waren Ausnahmeerscheinungen. Aktuell befinden wir uns wieder auf einem ähnlichen Preisniveau wie zu Vorkrisenzeiten. Mit dem Unterschied, dass deutlich mehr Photovoltaikanlagen gleichzeitig ihren Sonnenstrom anbieten, und zu diesen Zeiten kommt es zum Wertverlust.
Unser Strommarkt braucht Innovation – daran arbeiten wir bei OurPower
Beißt sich die Katze damit selbst in den Schwanz? Ja, aber spielerisch und mit Neugier. Es ist erfreulich, dass wir es so früh geschafft haben, einen spürbaren Anteil unserer Stromerzeugung mit Sonnenstrom zu decken. Negativpreise sind ein Kennzeichen für eine gelungene Kehrtwende und bloß eine weitere Herausforderung, die wir meistern.
Die traditionelle Energiewirtschaft arbeitet mit dem Werkzeugkoffer eines veralteten Strommarktes. Es wird immer wieder neue Lösungen benötigen. Und bei der Gestaltung des neuen Strommarktes spielen wir als Bürger:innen eine entscheidende Rolle. Genau das haben wir uns als OurPower Genossenschaft zum Ziel gesetzt: Ein Strommarkt in der Hand von Bürger:innen und Bürgern.
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