Wie Energiegemeinschaften zur Bekämpfung von Energiearmut beitragen können
Am 27.09.2023 diskutierten im Rahmen der Konferenz „Innovative Lösungen zur Bekämpfung von Energiearmut in Österreich“ Akteurinnen und Akteure aus verschiedenen Bereichen, wie Energiegemeinschaften zur Linderung der Energiearmut beitragen können.
25. Oktober 2023, Nicole Carina Ot
„Der Zugang zu sauberer und leistbarer Energie ist eine Grundvoraussetzung im tagtäglichen Leben. Wenn Energie fehlt, ist die Partizipation am modernen gesellschaftlichen Leben kaum möglich.“ Mit diesen Worten leitete Sandra Matzinger, Referentin in der Abteilung Wirtschaftspolitik der Arbeiterkammer Wien, ihren Vortrag ein.
Spätestens mit der derzeitigen Energiekrise und den plötzlich stark erhöhten Energiepreisen ist das Thema der Leistbarkeit von Energie gewissermaßen schlagartig in das Bewusstsein der österreichischen Bevölkerung getreten. Menschen, die sich bisher keine Gedanken machen mussten, standen vor der Herausforderung, ihre plötzlich enorm gestiegenen Energierechnungen zu bezahlen. Haushalte, die bereits vor der Teuerung als armutsgefährdet galten, fanden sich in noch prekäreren Lebenslagen wieder.
Energiearmut – ein multidimensionales Problem
Eine klare Definition, um Energiearmut messen zu können, gibt es noch nicht. In Österreich gelten die Haushalte als armutsgefährdet, die bei einem Ein-Personen-Haushalt monatlich weniger als 1.372€ netto zur Verfügung haben. Nach dieser Definition seien 17 Prozent der österreichischen Bevölkerung armuts- oder ausgrenzungsgefährdet, erklärte Sandra Matzinger. 10,6 Prozent konnten es sich zu Beginn des Jahres 2023 nicht leisten zu heizen, rund sieben Prozent waren nicht in der Lage Strom zu beziehen, wie die Ergebnisse einer Befragung der Statistik Austria zeigen.
Im Mittelpunkt steht hier der finanzielle Aspekt, doch über eines waren sich alle Vortragenden einig: Energiearmut ist ein multidimensionales Problem. Neben den finanziellen Ressourcen spielt etwa eine Rolle, dass armutsgefährdete Haushalte häufig in Wohnungen mit hohem Energieverbrauch leben und mit energieineffizienteren Geräten ausgestattet sind.
Oft fehlt Haushalten aber auch das Wissen, wie sie Energie effizient nutzen können. Um Energiearmut bekämpfen zu können, ist es – ganz nach dem Motto „Wissen ist Macht“ – notwendig, Menschen Energiegrundwissen zu vermitteln. Einen Beitrag dazu leisten DIE UMWELTBERATUNG und die Österreichische Energieagentur im Rahmen des Projekts ENPOR. Gemeinsam arbeiten sie an Informationsmaterialien, die mit wenigen Worten und klarer Bildsprache Wissenswertes zum Thema Energie im eigenen Haushalt erklären.
OurPower wurde 2018 mit dem Ziel gegründet, allen Bürger*innen Zugang zum Energiemarkt zu ermöglichen. Wir stehen für faire und stabile Strompreise. Aktuell verkaufen rund 300 Stromerzeuger*innen ihren Strom über den OurPower-Online-Marktplatz an 1.300 Stromkund*innen. Die OurPower Genossenschaft zählt mittlerweile mehr als 800 Mitglieder.
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Um Energiearmut mithilfe von Energiegrundwissen nachhaltig etwas entgegenzusetzen, braucht es jedoch mehr als gut aufbereitete Informationsbroschüren, wie Kerstin Schilcher, Senior Expertin bei der Österreichischen Energieagentur und Leiterin des EU Projekt ENPOR, anmerkte: „Das sind alles praktische Maßnahmen, die kurz- oder mittelfristig greifen können, aber wir brauchen vor allem strukturelle Veränderungen. Das kann etwa sein, Energiegrundwissen als integralen Bestandteil in der Ausbildung von Sozialarbeiter:innen zu etablieren, wie es das Pilotprojekt der Sozialen Energieberatung von klimaaktiv zeigt. Es kann aber auch bedeuten, Wissen rund um Energie möglichst früh in den Lehrplan einzubauen, also schon im elementarpädagogischen Bereich. So kann echte energy literacy in der Bevölkerung aufgebaut bzw. gefördert werden.“
Energiegemeinschaften als Lösungsansatz
Eine Möglichkeit, um von Energiearmut betroffene Haushalte zu unterstützen, ist, sie in Energiegemeinschaften einzubinden. Energiegemeinschaften machen es möglich, selbst produzierten Strom direkt mit anderen Menschen zu teilen, ihn gemeinsam zu nutzen, zu speichern und zu verkaufen. Das gilt für Sonnenstrom wie auch für Windkraft, Wasserkraft oder Energie aus Biogas- oder Blockheizkraftwerken. So können Energiegemeinschaften ihre Energieversorgung gemeinsam und nachhaltig selbst gestalten, unabhängig von den Energiepreisen am Markt.
Armutsgefährdete Menschen mit dem Thema der Energiegemeinschaft zu erreichen, kann jedoch herausfordernd sein. Ein geringes Einkommen und schwierige Arbeitsbedingungen tragen dazu bei, dass einkommensschwache Haushalte kaum Zeit haben, um sich damit auseinanderzusetzen. Unterstützung dabei, vulnerable Bevölkerungsgruppen anzusprechen und mit ihnen zu kommunizieren, finden Energiegemeinschaften auf der Informationsplattform „Energie teilen in Österreich“, die im Rahmen des SHAREs Projekt entstanden ist.
„Energiegemeinschaften sollen den Mitgliedern vorrangig ökologische, wirtschaftliche und sozialgemeinschaftliche Vorteile bringen.“, erklärte Eva Dvorak, Leiterin der Koordinationsstelle für Energiegemeinschaften beim Klima- und Energiefonds. So sieht es das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG § 79 Abs 2) vor, das außerdem explizit festhält, dass der finanzielle Gewinn kein Hauptzweck von Energiegemeinschaften sein darf. Damit auch von Energiearmut betroffene Menschen miteingebunden werden können, ist dies essenziell, so der Konsens aller Vortragenden. Um es armutsgefährdeten Haushalten zu ermöglichen, an Energiegemeinschaften teilzuhaben, schlug Christian Hummelbrunner etwa spezielle Sondertarife vor, die angepasst werden können.
Gemeinsam die Energiewende gestalten
„Energiearmut ist kein Thema, das es in einem Land wie Österreich geben sollte.“, gab Franz Angerer, Gastgeber und Geschäftsführer der Österreichischen Energieagentur, zu bedenken. Die Selbstversorgung und das Teilen innerhalb einer Energiegemeinschaft können einen bedeutenden Beitrag dazu leisten, Energiearmut zu lindern. So wird es für alle Menschen möglich, aktiv an der Energiewende teilzunehmen. „Die Energiewende wird nur dann gelingen, wenn wir alle mitnehmen.“, betonte Eva Dvorak.
Was genau Energiearmut ist, lässt sich nur schwer definieren. Studien zeigen jedoch, dass die hohen Energiepreise besonders für vulnerable Gruppen eine Gefahr darstellen. Das Modell der Energiegemeinschaften ermöglicht es Teilnehmer:innen einer Community, sich selbst mit Strom aus Erneuerbaren Energien zu versorgen und gemeinschaftlich solidarische Preise festzulegen. Ein innovativer Ansatz mit hohem Potenzial, unsere Gesellschaft zu stärken.
Die Veranstaltung Innovative Lösungen zur Bekämpfung von Energiearmut in Österreich – Die potenzielle Rolle von Energiegemeinschaften fand im Rahmen der Horizon-2020 Projekte SHAREs und ENPOR statt und wurde von OurPower-Vorständin Hemma Bieser moderiert.
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